Glasmuseum Frauenau

Bewegung und Eigensinn

Die haben keine Grenze nicht anerkannt. Ich hab noch von keinem Glasmacher aus Eleonorenhain gehört, dass er Schwierigkeiten gehabt hätte beim Grenzüberschreiten.
Der Poschinger oder der Gistl haben geschrieben, dass sie ihn aufnehmen möchten, und haben die Bedingungen gestellt, was er können muss, Kelchglasmacherbrief zum Beispiel. Er hat wieder geantwortet, er könnte am 15. antreten. Die haben dann 30 Mark Reisegeld geschickt und geschrieben, die Frau und das Kind könnte er später nachkommen lassen. Wenn er möchte.

Glasschleifer, geb. 1907

Der Killinger war Kommunist und der alte Hirtreiter war auch fast ein Kommunist. Der war Scherbenklauber und ist in der Pause vorgekommen in die Werkstatt vom Killinger. Politik ist damals aktuell gewesen, und uns Buben wollten sie da nicht sehen. Wir haben aber doch mitgekriegt, worum es ging. Und was der Hirtreiter zu der Zeit alles gesagt hat über den Hitler: „Der Zigeuner“, „Der Lump“!
Den Killinger haben sie dann eingesperrt; den haben sie wegen des englischen Senders verraten. Und dann haben sie ihn wieder rausgeeist, da haben alle zusammengeholfen. Sie haben ihn gebraucht, weil er dem Hirtreiter Schos mit dem Gravieren von den Hoheitsadlern geholfen hat. Da war er nur fünf Wochen in Dachau.

Glasschleifer, geb. 1923

1981 habe ich bei Schott angefangen und war vier Jahre dort. Dann war ich ein Jahr bei Rosenthal in Amberg. Wegen der Liebe bin ich immer wieder runter gekommen und hab dann zufällig in einem Inserat gelesen, dass Theresienthal einen Glasmacher sucht. Ich hab mich gleich beworben und bin sofort drangekommen.
Mein Vater war auch Glasmacher und ist nur gewandert. Der ist mal in die Regenhütte, dann nach Ludwigsthal, halt überall dorthin, wo das Geld gestimmt hat. Das ist damals noch gegangen. Da hat es sogar einen Bus nach Amberg gegeben, mit dem haben sie die Waldler raufgefahren und am Wochenende wieder heim. So waren die damals gefragt!

Glasmacher, geb. 1965

Demonstriert haben wir auch. Wir sind immer wieder zu Hutschenreuther ins Hauptwerk, mit dem Bus, weil die uns abstoßen wollten. Wir haben demonstriert, aber geholfen hat es nichts. Dann sind wir einmal geschlossen zum Stadtplatz in Zwiesel marschiert; hat auch nichts gebracht.
Später haben wir in der Hütte gestreikt, wilde Streiks gemacht, weil kein Lohn gezahlt worden ist. Wir haben die Arbeit niedergelegt, wieder eine Zeit gearbeitet und wieder gestreikt. Es hat nichts gebracht. Wenn kein Geld da ist, dann hat der Kaiser sein Recht verloren.

Glasmacher, geb. 1965

Es war gar nicht so einfach, gute Glasmacher dazu zu bringen, an die Maschine zu gehen. Der Glasmacher ist berufsstolz! Und diese stille Rivalität zwischen der Christinenhütte und der Maschinenhütte steckte auch da drin. Die Glasmacher schauten ein bisschen runter, nicht hinauf. „Was soll ich denn da?“, war die klassische Frage.

Firmenleiter, geb. 1935

Man hat handgemachte Gläser, die man nicht mehr von Maschinengläsern unterscheiden kann. Jeder Kelch muss gleich sein. Aber ein Glasmacher nimmt ja nach Gefühl das Glas vom Ofen heraus! Er zieht den Stiel mit einer Schablone, aber der kann ja einmal um zwei Millimeter größer sein. Das ist es eigentlich, was Handarbeit ausmacht. Handarbeit ist Handarbeit und nicht Maschinenarbeit.

Glasmaler, geb. 1965, Glasgraveur, geb. 1962

Heute, in Zeiten der Globalisierung, wird mit spitzem Stift gerechnet und die ganze Welt tritt als Konkurrenz auf: Billiglohnländer und große Maschinen-Glashütten. Da wird es insbesondere für das Handwerk schwierig, weil besondere Techniken gar nicht mehr ausgeführt werden können. Die werden zwar noch gelehrt, aber dann kann man sie auch gleich wieder vergessen. Weil eben das alles zu lange dauert und damit zu teuer wäre.

Glasgraveur, geb. 1962

Wenn in den Schauhütten einer den ganzen Tag Durstkugeln oder Aufhängekugeln macht – das ist für mich kein Glasmacher, das hat mit dem Glasmachen nichts zu tun. Das ist Fremdenverkehr, das ist Leutetäuschen.
Werksverkauf mit einem Glasmacher! Wo ist da das Werk? Die leben alle vom Zukauf. Und die Handarbeit und der Berufszweig Glasmacher sterben aus.

Glasmacher, geb. 1946

Den schlimmsten Fall kann man sich ja ausmalen, wie es dann in fünfzig bis hundert Jahren ausschauen wird. Dann gibt es bloß noch irgendwelche Hexenhäuschen und Rummelbahnen und Schilder „Glashütte!“ und ausgestopfte Viecher, und das ist es dann gewesen.
Das positive Licht wird nur noch sein, dass man sich im Glasmuseum die Geschichte von Frauenau anschauen kann.

Glasmaler, geb. 1965, Glasgraveur, geb. 1962

Ich habe nach der Lehre in der Eisch-Hütte noch die Fachschule fertiggemacht. Durch die Ausbildung zum Glasgestalter und auch vom Gefühl her hätte ich nicht mehr zurückkönnen und acht Stunden Akkord arbeiten in einer Hütte. Da war einfach der Reiz zu groß, in die künstlerische Glaswelt einzusteigen.
1990, wie ich fertig geworden bin, war so eine Aufbruchstimmung. Dazu ist auch der Mauerfall noch gekommen, da war einiges los in dieser Zeit. Und da haben wir eben beschlossen, wir machen eine Werkstatt, werden selbstständig.

Glasschleifer und Künstler, geb. 1966

In den achtziger Jahren hat es auch schon das Hüttensterben gegeben, und gleichzeitig war das, wie zum Beispiel in der Eisch-Hütte, auch eine erfolgreiche Zeit. Das eben, weil sie dem Zeitgeist entsprochen haben! Auch durch den Erwin und seine massive Erscheinung, sein Gewicht in Amerika.
Gleichzeitig ist es denen, die in der alten Schiene noch gesteckt sind und vielleicht stärker der Tradition verpflichtet gewesen sind, nicht mehr so gut gegangen.
Dann sind zu der Zeit in Frauenau Symposien veranstaltet worden. Und plötzlich hast du die ganze Welt in dem 3000-Seelen-Dorf. Da kommen nicht nur irgendwelche Touristen, sondern die Glaskünstler der Szene. Das ist so, wie wenn du Maler bist, und plötzlich ist der Picasso bei dir im Wohnzimmer oder schläft in der Nachbarschaft. Das war gigantisch, der ganze Flair, diese Verrücktheit! Auf einmal kommen sie daher, haben lange Zöpfe, und natürlich ist da gefeiert worden ohne Ende. Plötzlich war das Studioglas präsent und nicht nur ein Begriff von Amerika, die waren alle da!

Glasmaler, geb. 1966, Glasschleifer, geb. 1957

Irgendwo in mir sitzt eine Traurigkeit, weil eben die ganze Glasindustrie tatsächlich weggebrochen ist. Das war eine unwahrscheinliche Kraft, wenn zwei-, drei- oder vierhundert Leute in einer Manufaktur drin gearbeitet haben – wir haben es ja teilweise noch erlebt.
Es ist ein Elend, wenn eine Glashütte zumacht. Natürlich trifft dich das. Das gibt dir schon einen Hieb. Das tut einfach weh, wenn eine Hütte eingeht. Denn wenn der Ofen einmal ausgelöscht wird, ist es zu Ende.

Glasschleifer, geb. 1966