Glasmuseum Frauenau

Moderne Zeiten

Die Moderne des 20. Jahrhunderts ist geprägt von den Gräben des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Die politische Geschichte von Nationalismus und Nationalsozialismus, Krieg und Vertreibung fand in der deutsch-tschechischen Grenzregion ebenfalls ihren Ausdruck in der Glasproduktion. Ihr steht eine neue Kaufhaus- und Konsumkultur gegenüber, an der sich die Designbewegungen abarbeiteten und die heute die Handglashütten überrollt.

 

 

Die Schrecken von Nationalsozialismus und Krieg haben weder das Glas, noch die ostbayerische Region verschont: U.a. führt das die Bleiverglasung eines Hakenkreuzadlers vor Augen, den sich die Glaserinnung der Stadt Zwiesel in den 1930er Jahren als düsteres Monument schuf. Dekorierte Trinkgläser wurden im Rahmen nationalistischer Propaganda als „Ostmarkwaren“ verkauft. Das Kristall gab den Progromen zum Auftakt des Holocausts seinen Namen; Schaufensterscherben erzählen zusammen mit Resten von Trinkgläsern und mittelalterlichen Kirchenfenstern, die im Bombenkrieg zu Klumpen verschmolzen, mahnend von Krieg, Zerstörung und Tod.

Von hier an verläuft die kulturgeschichtliche Museumsreise parallel mit der Erfahrungsgeschichte der Menschen im Grenzgebiet, die die Innenabteilung des Glasmuseums zeigt: Erinnerungen und Dokumente sprechen vom grenzüberschreitenden Austausch der Glasarbeiter, von ihrem politischen Engagement bis hin zur Gefangenschaft im KZ Dachau, Sterbebildchen erinnern an die gefallenen Frauenauer Glasarbeiter.

Die Vertreibung deutschböhmischer Glashandwerker und Glasarbeiter nach 1945 gab jedoch auch neue Impluse in der Ausbildung und handwerklichen Glasproduktion sowie in der Tourismuswirtschaft im Bayerischen Wald der Nachkriegszeit.

Hier trifft die politische Zeitgeschichte auf die Geschichte des Designs: In Bildleisten und berühmten Designprodukten wird gezeigt, wie Künstler, Entwerfer und Glasmacher Finnlands, der Tschechoslowakei und Deutschlands sich mit der Moderne im Allgemeinen, und mit der technologischen Revolution der Glasproduktion im Besonderen auseinandersetzen. Die Ausstellung wird überragt von einem Tor aus ca. 6 700 Weingläsern der Serie „Neckar“, die ab 1961 in Zwiesel vollautomatisch geblasen wurden. Rolltreppenattrappen enthalten Vitrinen mit Arbeiten der Glasfachschulen aus Zwiesel, Nový Bor, Kamenický Šenov und Železný Brod, sie deuten auf die zentrale Rolle der Glasfachschulen und machen zugleich das Kaufhaus als Motiv der Moderne kenntlich.

Durch das "Neckartor" hindurch fällt der Blick auf die künstlerischen Unikatgläser bekannter Glasmanufakturen und der Künstler der Internationalen Studioglasbewegung; hier wird auch der 1960 mit einem Oscar preisgekrönte Dokumentarfilm „Glas“ von Bert Haanstra (NL 1958) gezeigt.

Das Ende der Rundgang erinnert an die Installation der Bayerwaldbäume am Anfang: Zwölf keramische Röhren, Fabrikschornsteinen gleich, zeigen Gläser aller Glashütten, die im Laufe des 20. Jahrhunderts im Bayerischen Wald produziert haben.

Ein Schutthaufen aus Abbruchteilen des letzten Glasofens aus Ludwigsthal spricht das Sterben der Glashütten um die Jahrtausendwende an, während Vertreterinnen und Vertreter der Glasbranche in kurzen Filminterviews – auf dem Stand des Eröffnungsjahres 2005 – Auskunft geben auf die Frage, wie es denn weitergehen wird mit dem Glas...?